Die Illusion von Kontrolle in Essstörungen

Bei Essstörungen geht es nicht nur um das Gewicht, Gesundheit oder Schönheit. Natürlich spielen all diese Dinge in den meisten Fällen ebenfalls eine große Rolle, jedoch darf auch der Faktor der Kontrolle nicht übersehen werden. Also, lass und mal über das Gefühl der Kontrolle in Essstörungen reden.

Wenn du die Kontrolle über dein Essverhalten, deinen Körper und dein Gewicht hast, dann bist du ja generell in Kontrolle über dich selbst und was um dich herum passiert - richtig? Oder vielleicht doch nicht? Zumindest fühlt es sich so an, oder? Aber woher kommt dieses Gefühl der Kontrolle in Essstörungen?

Die Wellness-Bewegung

“That-girl” sein, einen ästhetischen Lebensstil haben, “clean girl aesthetics”, Saftkuren, Detoxkuren, “hot girl walks”, “clean eating”, Veganismus, … alles schonmal gehört? – Vermutlich. All diese Dinge können wir unter einem großen Begriff – eher gesagt einer Industrie zuordnen: Der Wellness-Industrie. Und der Industrie geht es nicht wirklich darum, dass es dir gut geht. Es ist eine Industrie – da steckt viel Geld dahinter. Die Theorien sind meistens nicht wissenschaftlich gestützt, sondern einfach überteuerte Superfoods, Fittnessstudio-Mitgliedschaften, “natürlich” Detoxing Kuren und so viel mehr, das uns ziemlich stark an Essstörungen erinnert.

Und das schlimmste ist, dass die Wellness-Bewegung uns das Gefühl gibt, dass WIR entscheiden können, ob wir unser Leben im Griff haben oder nicht. Es sagt, dass wir entweder entscheiden können “gesund” zu sein, und “gut zu uns selbst” zu sein. Aber niemand würde sich doch bewusst dafür entscheiden “sich gehen zu lassen” oder gar eine psychische Störung zu entwickeln. Und genau das sind Essstörungen nämlich auch. Niemand würde sich mit Freuden dafür entscheiden, sich ständig ängstlich zu fühlen, sich von seinen Lieben zurückzuziehen, mit dem Spiegelbild des eigenen Körpers besessen zu sein, an nichts anderes als Essen und sein Gewicht zu denken oder ständig blaue Flecken zu haben.

Und genau das ist die Wellness-Industrie: Sie sagt dir, dass du in Kontrolle von allem sein kannst: deiner psychischen Störung, deinem Gewicht, deinen Genen, deinem Erfolg, deinem Liebesleben, … Sie verkauft die Illusion von Kontrolle (und das teuer)

Social media und "full day of eatings"

Sag mal – wie sieht eigentlich deine “For you” page aus? Ich erinnere mich noch ziemlich gut daran, wie meine fyp im Prinzip eine Zusammenstellung von verschiedenen Arten Gewicht zu verlieren war. “Gesundheits-“Seiten, mit “iss das, nicht das”, “sein Teller, ihr Teller”, “was ich in einem Tag esse”, “Kalorien in verschiedenen Pizzen”, “workout Routinen”, … Aber lass doch mal kurz über meinen absolut wenigsten Favoriten reden: “Full day of eatings”:

“was ich in einem Tag esse” – oder wie auch immer du die Videos betiteln möchtest – sind nicht nur eine akzeptierte Form der Kommunikation, sie werden vor allem auch unterstützt. Es scheint heutzutage normaler zu sein, das Essverhalten von jemand anderes zu kopieren, als auf seinen eigenen Körper zu hören. Wenn du das ist, dann verlierst du Gewicht, wenn du so isst wie ich, dann siehst du auch so aus wie ich, wenn du so isst, dann bist du gut zu dir selbst, … Siehst du, wie schädlich das für dich und deine Verbindung zu deinem Körper ist? Wir sind alle so verschieden, haben unterschiedliche Gene und führen einzigartige Leben. Keiner kann dir sagen, wie viel Essen du brauchst. Das weiß nur dein eigener Körper.

Du schaust die Videos nur zur Inspiration? Hmm… ich weiß ja nicht. Es gibt so viele andere Wege sich Inspirationen für Rezepte zu holen: Pinterest, Omas Kochbücher, das Menü von Restaurants, … Warum nutzt du nicht das? Oh- weil du wissen willst, wieviel davon eine angemessene Portion ist? Weil du wissen willst, was du drumherum essen kannst? Denk mal drüber nach.

tägliche zwischenmenschliche Interaktion

“Ich hatte heute erst einen Kaffe”, “Ich seh in den Jeans so dick aus”, “Ich habe total vergessen zu essen, ich war ja so beschäftigt”, “Ich wäre gerne so dünn wie sie”, … Es gibt so viele Momente im täglichen Leben, in denen essgestörtes Verhalten normalisiert wird. – Nicht nur normalisiert, es wird glamourisiert. Wer lange ohne Essen auskommt und wenig isst, der hat Willensstärke. Aber das ist so falsch!

Die hässliche Wahrheit ist, dass Essstörungen nicht schön, nicht quirlig oder süß sind. Sie nehmen einen komplett ein. Sie führen dazu, dass man sich von seinen Geliebten immer weiter distanziert, dass man ständig kalt und ängstlich ist. Und vor allem lassen sie einen ziemlich schlimme Sachen sich selbst antun. Esstörungen sind anstrengend. Sie nehmen alles von einem, was man einmal gemocht hat. Und vor allem: Sie sind lebensbedrohlich.

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Du bist gar nicht wirklich in Kontrolle

Eine Essstörung zu haben fühlt sich so an, als wäre man in einem Bereich seines Lebens so richtig gut. Das ist der Anker in dem sonst so chaotischen Leben. Es gibt dir das falsche Gefühl, dass du wenigstens die Kontrolle über deinen Körper hast. Sich ohnmächtig und sich selbst als “scheiternd” ist ein ziemlich häufig auftretendes Gefühl in restriktiven Essstörungen.

Sich außer Kontrolle in der Recovery von Essstörungen zu fühlen ist eigentlich gar nicht über das Fehlen von selbst-Kontrolle. Es wird dadurch hervorgerufen, dass du nicht (mehr) die Erwartungen deiner Essstörungen erfüllst. Die Erwartungen, die unrealistisch und einfach unmenschlich sind. Du wirst nicht an Erfolg einbüßen, nur weil du zugenommen hast, du bist nicht weniger liebenswert, wenn du Fettpölsterchen hast, andere werden dich nicht dafür verurteilen, dass du zugenommen hast. 

Recovery kann ziemlich ungemütlich und angsteinflößend sein. Es fühlt sich so an, als wäre das falsch. Aber es ist möglich dein Gehirn umzuprogrammieren und was mal außerhalb deiner Komfortzone lag, das wird deine neue Komfortzone. Du wirst dich wieder sicher und wohl in deinem Körper fühlen.

Die Illusion von Kontrolle in Essstörungen loslassen

First of all: Understand that your eating disorder contains a false sense of security and control. It causes harmful, lasting effects. Not everything that feels safe is actually safe. And not everything that feels unsafe, is unsafe. Turning to your disordered eating behaviours (as a coping mechanism to stressors) may give you a sense of comfort, safety and control, but they are very much malfunctioning. 

So, how can you revert those old ways of thinking and handling and surrender control to develop healthy, sustainable and effective coping stretegies?

  1. Create a routine. For example planning meals, trying to eat intuitively (when this is accessible for you right now), plan weekly dates with friends (and include food), and incorporate mindful movement (if this is safe for you at your current health state). This doesn´t need to be a sweaty workout, it can also be a gently stretching session or a mindful walk.
  2. Build a support team. People you can rely on, and you can talk to when you are feeling triggered, distressed or in need of encouragement. This can be a therapist, a coach, a friend, a family member or an individual that has been going through the recovery process in the past. 
  3. radical acceptance. Accept that it is OKAY where you are at right now. It is okay to maybe feel sluggish and tired today. It is okay, that the world is literally burning right now. It is okay, that you need to gain weight to gain food freedom and health. You are not alone in this. 

You are resilient, capable and worthy.

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