Im Interview über Bananenangst mit Patricia Modispacher

“Du weißt, dass es schlimm ist, wenn du träumst, dass du unermesslichen Hunger hast, aber an einem Ort bist, an dem es nur Bananen gibt. Dein Magen zieht sich schmerzvoll zusammen und du denkst darüber nach, ob du vielleicht doch – nein. Niemals würdet du eine Banane essen. Bevor du im Traum verhungerst, wachst du schweißgebadet und unter Tränen auf. Aber in der Realität hört der Hunger nicht auf. ” (aus Bananenangst, S. 7)

Patricia Modispacher hat Germanistik, Philosophie und anschließend Deutsche Literatur (M.A.) studiert. Schon als Jugendliche hat sie gerne Texte, Geschichten und Jugend-Romane geschrieben. Das Buch "Bananenangst" ist ihr Romandebut und beschreibt, wie die 21-jährige Scarlet ihren Kampf gegen ihre Magersucht aufnimmt, sich in eine psychosomatischen Klinik einweisen lässt, lernt, dass zu einer vollwertigen Mahlzeit 20 Gramm Butter gehören und durch verschiedene Therapieeinheiten und Interaktionen mit Mitpatienten und Patientinnen wieder lernt, das Leben zu lieben.

Patricia, damit die Leser und Leserinnen dich einmal kennenlernen können - wie würdest du dich mit drei Worten beschreiben?

ehrlich, witzig und zuverlässig.

Wie hat sich der Wunsch bei dir danach entwickelt, ein Buch über die Heilung von der Magersucht zu schreiben?

Der Wunsch generell zu schreiben hatte ich schon immer. Schon als kleines Kind habe ich gedichtet und längere Texte geschrieben. Mein erstes längeres Werk habe ich mit 13 für meine Schwester auf dem Computer getippst. Auch im weiteren Verlauf während meiner Jugend war ich immer irgendwie dabei und in meinem Studium habe ich regelmäßig in der Schreibwerkstatt teilgenommen, was mir immer viel gegeben hat.

Und dann bin ich selbst, als ich Literatur im Master studiert hatte, an einer Essstörung erkrankt. Ich war zu der Zeit sehr aufgeklärt über Feminismus, Rassismus, Soziologie und konnte viel hinterfragen. Ich habe sogar eine Hausarbeit über Frauendarstellungen geschrieben und mich dabei viel über Essstörungen informiert. Dabei ist mir aufgefallen, dass die ganze Forschungsliteratur so eintönig war. Es war immer “die Magersüchtige”, “die junge Frau in der Pubertät”, “die Krankheit”,… es war immer die gleiche Geschichte und in keiner davon habe ich mich wiedergefunden, obwohl ich wusste, dass etwas mit mir nicht stimmt in Bezug auf Essen. 

Ich selbst habe lange Zeit auch nicht eingesehen, dass ich Magersucht hatte, da auf Social Media, in Büchern, in der Literatur, usw. ein anderes Bild von Essstörungen gezeichnet wurde. Und wenn ich mich damals so allein und unverstanden gefühlt habe, gibt es irgendwo nochmal jemand, dem es auch so geht.

Was ist dein Ziel mit diesem Buch?

Ich wollte mit diesem fiktionalen Roman über diese Essstörung aufklären, dass sie bei unterschiedlichen Menschen, unterschiedliche Symptome und Ursachen haben kann. Außerdem wollte ich nicht nur, dass sich die Betroffenen nicht allein mit ihrer Thematik fühlen, sondern ich wollte auch den Angehörigen Hoffnung geben. Für meine Familie war es auch eine schwierige Zeit, das Buch ist also auch für Familien und Angehörige, damit sie besser verstehen können, was in diesem Menschen vorgeht und dass sie nicht an der Erkrankung Schuld sind.

Hat das Schreiben des Buches dir geholfen, deine eigene Essstörung zu verarbeiten?

Ich habe intensiv an dem Buch etwa vier Wochen geschrieben. Während der Klinik hatte ich bereits angefangen Tagebuch zu schreiben und den Anfang sowie den Epilog hatte ich schon recht früh geschrieben. Aber ich habe auch gemerkt, dass es mich sehr viel Kraft direkt nach der Klinik gekostet hat. 

Während dem Schreiben habe ich definitiv nochmals viel verarbeitet habe und es gab auch einige Szenen, bei denen ich beim Schreiben geweint habe. Danach erst habe ich mich fragen können, was ist hier jetzt mit mir passiert, was steht da jetzt? Vieles war mir davor gar nicht so bewusst und in gewisser Weise war das Schreiben für mich da auch eine Art Therapie.

Generell kreative Dinge wie Schreiben oder auch Malen/Zeichnen können sehr heilsam sein, um Dinge zu verarbeiten, da man bei sich selbst ist – sich mit sich selbst beschäftigt. 

Wie isst du heute am liebsten deine Bananen?

Definitiv als Bananenkuchen. Mit sehr reifen Bananen, Mehl und Kakao. 

Ich finde, dass dein Buch "Bananenangst" vor allem für Personen hilfreich sein kann, die Betroffene von Essstörungen auf ihrer Heilungsreise begleiten. Hast du Tipps für diese Menschen, wie sie Betroffene unterstützen können?

  • Ich denke, das ist immer ganz individuell von der betroffenen Person abhängig, denn Menschen leben Essstörungen auch immer unterschiedlich aus. Man kann vielleicht auffällige Verhaltensweisen ansprechen (bspw. sehr langsam essen, Dinge sehr klein schneiden, usw.) Oftmals ist es schon hilfreich, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das gezeigte Verhalten nicht normal ist, oder zu fragen, warum die Person es macht.
  • Als weniger hilfreich schätze ich ein, jemanden zu erpressen oder zu viel Druck aufzubauen. Auch jemandem einfach zusätzliche Kalorien unter das Essen zu mischen, finde ich sehr fragwürdig. Das hilft der Person nicht dabei, sich von der Essstörung zu lösen.
  • Sehr hilfreich kann es sein, der Person, die krank ist mit Worten und Gesten zu signalisieren, dass man für sie da ist und ihr zuhört. Fragen empathisch nach, wie es ihr/ihm geht und ob man etwas für sie/ihn tun kann.

Warum hat es sich für dich gelohnt, dich deiner Bananenangst zu stellen?

Ich kann jetzt wieder leben und glücklich sein. Ein Leben mit einer Krankheit, die einen so stark beschäftigt und das Leben in der Hand hat, ist kein richtiges Leben. Man hat jetzt wieder eine Freiheit, mehr Energie und Spaß am Leben, das schätze ich wirklich sehr wert.

Außerdem liebe ich essen, ich habe es schon immer geliebt. Jetzt kann ich es wirklich wieder genießen und mit Freunden Essen gehen. Man kann wieder das tun, was man wirklich gerne macht.

Man hat jetzt wieder selbst das Leben in der Hand. Und auch wenn man in erster Linie immer für sich selbst recovern sollte, hat es sich auch dafür gelohnt, dass meine Familie nicht mehr ständig um mich Angst haben muss, sondern, dass wir nun die gemeinsame Zeit wirklich genießen können.

Gibt es etwas, für das du deiner vergangenen Essstörung dankbar bist?

Paradoxer Weise habe ich durch die Essstörung überhaupt gelernt, wie eine ausgewogene Ernährung aussieht. Heute weiß ich, dass jedes Lebensmittel irgendwo relevant ist und dass viele Dinge, die wir auf Social Media lesen können, so gar nicht stimmen. Ich habe gemerkt, dass ich alles essen kann und auch essen soll. Beispielsweise Schokolade ist nicht schlecht. Manchmal bewirkt Schokolade einfach Wunder.

Durch den Verlust von sozialen Kontakten und von Lebensfreude habe ich außerdem überhaupt erst gemerkt, wie schön es ist, Kraft und Energie zu haben. Durch den Heilprozess durfte ich außerdem auch meinen Körper auf eine besondere Art und Weise wertschätzen lernen.

Ich finde, dass viele ein verzerrtes Bild davon haben, wie ein Aufenthalt in einer psychischen/psychosomatischen Klinik aussieht, was auch dazu führt, dass viele Angst davor haben, sich dort Hilfe zu holen. Gibt es etwas, das du Betroffenen mitgeben möchtest, das ihre Angst vor einem Klinikaufenthalt besänftigen kann?

In einer Klinik findet man Menschen, die so sind wie man selbst. Vielleicht haben sie die gleiche Krankheit – vielleicht aber auch nicht. Aber alle sind in gewisser Weise so verkorkst, wie man sich selbst fühlt. Jeder hat eine andere Story, aber man versteht sich auf einer ganz anderen Ebene. Man ist dort nicht allein und findet auch Seelenverwandtschaften, von denen man selbst vielleicht gar nicht dachte, dass sie existieren.

Außerdem kann ich denjenigen, die nicht zwangseingewiesen werden müssen, raten, dass sie sich auch die Zeit nehmen, verschiedene Kliniken anzuschauen. Dann kannst du schauen, ob du dich dort gut aufgehoben fühlt. Es ist nicht schlimm, wenn dich die erste oder auch zweite Klinik nicht direkt anspricht. 

Gibt es noch irgendetwas, das du den Lesern und Leserinnen mit auf den Weg geben möchtest?

Halte so gut es geht Abstand von sämtlichen Waagen. Gerade in Bezug auf das Essen gilt: Im Zweifel schöpfst du dir lieber etwas zu viel. Ich kann dir auch eine beruhigende Erfahrung aus meinem eigenen Leben mitgeben: Ich hatte mich gut ein Jahr lang nun nicht gewogen und als ich mich vor kurzem gewogen habe, durfte ich feststellen, dass das Gewicht immer noch, obwohl ich mein Gewicht nicht versucht habe zu beeinflussen, das selbe ist, wie vor einem Jahr. Dein Körper wird sein Wohlfühl-Gewicht finden und mühelos halten können.

Und scheut nicht davor zurück, euch Hilfe zu holen. Du bist es Wert und auch du verdienst es, am Leben wieder teilnehmen zu können. 

Und allen Angehörigen möchte ich mit auf den Weg geben, dass sie nicht versuchen sollen, die Schuldfrage zu klären. Essstörungen sind komplex und viele Faktoren tragen zu der Entstehung bei. Fragt euch lieber, wie ihr die betroffene Person jetzt unterstützen könnt. Das wird euch und der Person am meisten helfen. Es ist nicht deine Schuld.

"Das Schuldgefühl frisst sich durch meinen Körper, aber ich esse weiter. Ich esse mich gesund. Und irgendwann schmeckt auch die Banane wieder."

Autorin: Patricia Modispacher (Instagram @Patricia _modispacher)

Patricia Modispacher auf Lovely Books

Verlag: Parlez-Verlag

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