wie uns soziale Vergleiche auf social media beeinflussen

Eigentlich bin ich in der vierten Woche meines Social-Media-Entzugs und bis jetzt konnte ich durchhalten. Vielleicht habe ich hin und wieder ein Video auf YouTube mehr geschaut als nötig oder länger als notwendig nach Rezepten auf Pinterest gesucht, aber ich habe immer durchgehalten. Egal wie langweilig es wurde, oder wie sehr ich mich danach sehnte, mein Gehirn während unangenehmer Situationen in meinem Social-Media-Feed wandern zu lassen. Heute dachte ich jedoch, ich würde mich für einen Moment bei meinem Instagram-Account einloggen (hauptsächlich, weil ich alleine und gelangweilt war). Zumindest wurde mir schnell bewusst, mit dem ersten Beitrag, wie ich in die Falle des Vergleichens getappt bin. Und wie diese ständigen sozialen Vergleiche in den sozialen Medien überhaupt nicht gut für mich sind. Dann schloss ich die App und stattdessen schreibe ich jetzt einen Blog-Beitrag über sozialer Vergleiche in den sozialen Medien und wie sie sich auf mein psychisches Wohlbefinden auswirken (Natürlich werde ich auch etwas wissenschaftliche Forschung hier einfließen lassen.)

Inhaltsverzeichnis

Menschen brauchen Menschen

Menschen brauchen Menschen. Wir streben immer nach zwischenmenschlichen Beziehungen, sozialen Interaktionen und Gemeinschaft. Gemeinsam sind wir stärker – das ist nicht nur ein kitschiger Postkartenspruch, sondern wurzelt in uralten Überlebenskonzepten des Menschen. Ohne liebe- und wärmespendenden Kontakt zu Bindungspersonen verkümmern Säuglinge (siehe auch Experiment Rhesus Affen). Nicht nur, weil die Bindungspersonen die Bedürfnisse der Kleinsten stillen und damit ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit herstellen, sondern auch, weil diese in ihrer Entwicklung von den Erziehungspersonen lernen und sich in diesem Rahmen erste Ideen über die eigene Identität bilden (siehe Informationsblock über Kaspar Hauser).

Beziehungen machen uns stark. Sie geben uns die Möglichkeit, uns einzufügen, einen Platz in der Gesellschaft zu finden, eine Identität herauszubilden, Hilfe zu leisten und Hilfe zu finden. 

Experiment Rhesusaffen

Harlow stellt die Forschungsthese auf, dass die Zuwendung von Jungtieren zu ihren Müttern darauf basieren, dass diese die Hungerbedürfnisse des Kleinen befriedigt. In dem Versuch hielt man Jungtiere (Rhesusaffen) isoliert in einem Käfig mit einer “Mutterattrappe” aus Draht (und Stoff), welche eine Flasche mit Nahrung hielt. Die Äffchen gingen immer zur Attrappe, um zu trinken und versuchten dabei immer Kontakt mit dieser zu halten. Auch bei Erkundungsversuchen hielten sich die Tiere immer in der Nähe der Attrappe auf und flüchteten bei furchteinflößenden Reizen zu dieser. Allerdings zeigten die Affen schnell Verhaltensauffälligkeiten wie Bewegungsstörungen. Zwangsstörungen, Aggressivität, Desinteresse, Paarungsunfähigkeit, usw. Diese Störungen hielten auch im weiteren Lebensverlauf an. 

Kaspar Hauser

Kaspar Hauser war ein historischer Fall, der aufgrund seiner sozialen Isolation große Aufmerksamkeit erregte. Im Jahre 1828 tauchte er plötzlich in Nürnberg auf und konnte kaum sprechen oder sich auf angemessene Weise verhalten. Es wurde angenommen, dass er während seiner Kindheit isoliert und ohne menschlichen Kontakt aufgewachsen war. Diese extreme soziale Isolation hatte offensichtlich erhebliche Auswirkungen auf sein Verhalten. Kaspar Hauser zeigte ein stark verzögertes Sprachvermögen und hatte Schwierigkeiten, sich an soziale Normen und Konventionen anzupassen. Seine Erfahrungen lassen vermuten, dass der Mangel an sozialer Interaktion während der entscheidenden Entwicklungsphase einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung von Fähigkeiten wie Kommunikation, Sozialverhalten und emotionale Regulation hat. Kaspar Hausers Fall bleibt ein bemerkenswertes Beispiel für die Bedeutung sozialer Interaktion und menschlicher Bindungen für die normale Entwicklung eines Individuums.

Die Theorie des sozialen Vergleichs

Die Theorie des sozialen Vergleichs besagt, dass Menschen dazu neigen, sich mit anderen zu vergleichen, um ihre Fähigkeiten, Meinungen und sozialen Positionen einzuschätzen. Festinger argumentierte, dass soziale Vergleiche verwendet werden, um objektive Informationen zu erhalten und die eigene Selbsteinschätzung zu überprüfen. Wir wollen dazu gehören, akzeptiert werden, mit anderen mithalten können und ein Gemeinschaftsgefühl erfahren.

Der soziale Vergleich kann auf zwei Arten stattfinden: Aufwärtsvergleich und Abwärtsvergleich. Beim Aufwärtsvergleich vergleicht sich eine Person mit anderen, die in einem bestimmten Merkmal oder einer Fähigkeit besser sind. Dies kann dazu führen, dass man sich motiviert fühlt, sich zu verbessern oder sich selbst zu überfordern, um den Standards der Vergleichsgruppe gerecht zu werden. Allerdings kann ständiges Aufwärtsvergleichen auch zu einem geringeren Selbstwert und Selbstzweifel sowie sozialen Ängsten und Depressionen führen.

Beim Abwärtsvergleich hingegen vergleicht sich eine Person mit anderen, die in dem betrachteten Merkmal schlechter abschneiden. Dies kann zu einem positiven Selbstwertgefühl und einem Gefühl der Überlegenheit führen.

Die Theorie des sozialen Vergleichs hat weitreichende Anwendungen und kann in verschiedenen Bereichen angewendet werden, wie zum Beispiel in der Werbung, wo Menschen dazu gebracht werden, Produkte zu kaufen, um sich mit anderen zu vergleichen und durch den Kauf ein besseres Selbstwertgefühl zu erlangen. 

Der Einfluss von sozialem Vergleich auf social media auf unsere psychische Gesundheit

Bislang ist sich die Wissenschaft uneinig darüber, welchen Einfluss soziale Medien auf unser psychisches Wohlbefinden wirklich haben. Einige Studien deuten darauf hin, dass soziale Medien die Möglichkeit bieten, mit Freunden und Familie in Kontakt zu treten und soziale Unterstützung zu erhalten, was sich positiv auf das psychische Wohlbefinden auswirken kann. Sie können als Plattform dienen, um Freundschaften zu pflegen, neue Beziehungen aufzubauen und Informationen auszutauschen. Interessanterweise findet man allerdings in den wissenschaftlichen Datenbanken noch keine Studien darüber, welchen Einfluss Influencer (u.a. Mental-Health-Influencer) auf die psychische Gesundheit von Konsumenten haben. Es kann also sein, dass ein tieferes Verständnis für psychische Gesundheit und Krankheiten durch soziale Medien vermittelt werden kann. PsychotherapeutInnen weisen haben vor allem darauf hin, dass darauf geachtet werden muss, wer den Content mit welchen Qualifikationen erstellt. Informationsposts, die nicht wissenschaftlich fundiert sind, können auch ungewünschte Effekte erzielen wie eine Verweigerung von Medikamenten, aktiver Therapiemitarbeit und Behandlungsmethoden o.ä. 

Negative Auswirkungen von social media auf unser psychisches Wohlbefinden finden sich hingegen vor allem in Bezug auf soziale Aufwärtsvergleiche in den sozialen Medien. Personen, die also vulnerabel für diese Art von sozialen Vergleich sind, erfahren häufiger mehr negative Auswirkungen von Sozialen Medien auf ihre psychische Gesundheit (Verduyn et al. 2020). Falls du dich hier ertappt fühlst, ist das gar nicht schlimm. Nimm es erstmal urteilsfrei wahr. Die Erkenntnis ist schon einmal ziemlich wertvoll, mit der du in Zukunft arbeiten kannst. 

social comparison on social media and it´s impact on mental wellbeing soziale Vergleiche auf social media und der Einfluss auf psychisches Wohlbefinden

Wie kannst du sozialen Vergleich auf social media verringern?

Wenn du nicht ganz so drastisch wie ich mit einem Social-Media-Verzicht durchgreifen möchtest, können diese Ansätze dir dabei helfen, einen bewussten und hilfreichen Umgang mit sozialen Medien zu erlangen: 

1. Entwickle ein Bewusstsein für deinen Konsum: Sei dir der Auswirkungen des sozialen Vergleichs auf dein psychisches Wohlbefinden bewusst. Erkenne, dass die dargestellten Inhalte auf Social Media oft selektiv und idealisiert sind. (Social media ist und bleibt ein Highlight-Reel)

2. kontrolliere deine Smartphone-Nutzung aktiv: Setze klare Grenzen für die Zeit, die du auf Social Media verbringst. Vermeide übermäßigen Konsum und achte darauf, dass es nicht zur Hauptquelle deiner sozialen Vergleiche wird. Setze dir beispielsweise einen Timer bevor du die App öffnest.

3. Überprüfe und überarbeite deine Social-Media-Feeds regelmäßig. Entferne oder reduziere Kontakte und Accounts, die negative Vergleiche oder Unzufriedenheit auslösen können. Folge stattdessen inspirierenden und positiven Inhalten. Vor allem sei hier genannt PsychotherapeutInnen, PsychologInnen, ErnährungswissenschaftlerInnen, usw. 

4. pflege und priorisiere Offline-Interaktionen: Investiere Zeit und Energie in persönliche Beziehungen außerhalb von Social Media. Treffe Freunde, verbringe Zeit mit Familie und engagiere dich in Aktivitäten, die dir Freude bereiten und dich mit anderen verbinden.

5. Selbstreflexion und Selbstakzeptanz: Fokussiere dich auf deine eigenen Ziele und Erfolge, anstatt dich ständig mit anderen zu vergleichen. Auch wenn du deinen eigenen Wert vielleicht noch nicht anerkennen kannst, bist du es Wert, dass du dir bei der Stärkung deines Selbstwertes Hilfe suchst. 

interessante Studien zum Thema soziale Vergleiche auf social media

Verduyn, P., Gugushvili, N., Massar, K., Täht, K. & Kross, E. (2020). Social comparison on social networking sites. Cyberpsychology, 36, 32–37. https://doi.org/10.1016/j.copsyc.2020.04.002

Vogel, E. R., Rose, J. P., Okdie, B. M., Eckles, K. & Franz, B. (2015). Who compares and despairs? The effect of social comparison orientation on social media use and its outcomes. Personality and Individual Differences, 86, 249–256. https://doi.org/10.1016/j.paid.2015.06.026

Gomez, M., Klare, D. L., Ceballos, N. A., Dailey, S. L., Kaiser, S. & Howard, K. (2021). Do You Dare to Compare?: The Key Characteristics of Social Media Users Who Frequently Make Online Upward Social Comparisons. International Journal of Human – Computer Interaction, 38(10), 938–948. https://doi.org/10.1080/10447318.2021.1976510

 

 

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner