Ich habe Angst davor ins Binge Eating zu rutschen (Q&A pt. 2)

Von der Magersucht ins Binge Eating – eine Angst, die viele Betroffene während der Genesungsreise begleitet. Worin liegt eigentlich der Unterschied zwischen Extremhunger und Binge Eating? Heute wollen wir uns genau diesem Thema widmen. Ich hoffe dir damit ein wenig die Angst zu nehmen, ins Binge Eating zu rutschen, aber dir auch Ideen mitzugeben, wie du auf dich selbst während dieser schwierigen Zeit aufpassen kannst.

Hey, ich habe momentan so Extremen Hunger … ich weiß nicht wie ich das aushalten soll. Ich versuche ihn zu honorieren aber es macht mir so Angst. Ich esse schon viel und meine gesunde Seite würde gerne noch mehr essen eine ganze Tafel Schoko etc. Ich habe so Angst, "zu dick" zu werden, da ich nur noch 4-6kg zunehmen sollte. Ich habe Angst, dass ich ins Binge Eating Rutsche weil ich immer so viel esse und NOCH mehr essen kann und am liebsten würde. Ich komme aus einem Rückfall und bin schonmal all in gegangen vor ca einem Jahr … Hast du vielleicht einen Tipp, wie ich mir besser alles klar machen kann? Auch bezüglich der Gewichtszunahme, da ich sehr schnell zunehme😞

darum geht hier:

Was ist Binge Eating überhaupt?

Betroffene einer Binge-Eating-Störung leiden unter immer wiederkehrenden Essanfällen. Sie nehmen innerhalb kurzer Zeit im Vergleich zu den meisten anderen Menschen große Nahrungsmengen zu sich und haben das Gefühl, die Kontrolle über ihr Essverhalten zu verlieren. Sie haben das Gefühl, mit dem Essen nicht mehr aufhören zu können und auch nicht kontrollieren zu können, was und wie viel sie davon konsumieren. Anders als Betroffene der Bulimie, kompensieren Binge-Eater nicht für ihren Essanfall durch exzessiven Sport, Erbrechen oder Hungern.

Der englische Begriff „binge eating“ steht für exzessives, übermäßiges Essen. Das englische Wort „binge“ bedeutet soviel wie „Gelage“.

Die Essanfälle sind außerdem dadurch gekennzeichnet, dass:

  • die Betroffenen während eines Binge schneller, als sie das sonst tun würden, essen
  • die Betroffenen hören erst auf, wenn sie sich unangenehm voll fühlen
  • sie treten unabhängig vom Hungergefühl auf
  • oftmals wird alleine gegessen und die Anfälle vor anderen verheimlicht
  • Betroffene ekeln sich häufig vor sich selbst bzw. der Menge an Essen, die sie gegessen haben, sind deprimiert oder haben Schuldgefühle.

Was ist der Unterschied zum Extremhunger?

Bevor du dir jetzt ganz sicher bist, dass du wohl direkt von einem Extrem ins andere Extrem gerutscht bist – lass uns einmal den Extremhunger unter die Lupe nehmen. 

Der Extremhunger unterscheidet sich dahingehend von dem Binge Eating, dass

  • er in der Regel nach einer Phase der Restriktion oder Diät auftritt
  • sich die Betroffenen weniger “außer Kontrolle” fühlen als während eines Essanfalls
  • man zwar Unmengen an Essen verdrückt, sich aber nicht unbedingt “Übervoll” fühlt und nach ein paar Stunden der Magen bereits wieder knurrt. Eine Person mit Extremhunger kann selbst 7000kcal essen, ohne sich zum Platzen voll zu fühlen.
  • Extremhunger ist temporär und beruhigt sich nach ein paar Wochen wieder (wenn ihm bedingungslos nachgegangen wird)
extreme hunger vs binge eating disorder

Spielt es eine Rolle, ob es ein Binge ist, oder ob dein Körper gerade einfach viel mehr Essen braucht weil du von einer Essstörung recoverst? – meiner Meinung nach nicht wirklich. Anstatt dir zu viele Gedanken darüber zu machen, ob du emotional isst, zu viel isst, aus Langeweile isst, etc. frage dich lieber, welche Bereiche deines Lebens nach mehr Erfüllung streben, wie du dich eigentlich fühlst, welche Glaubenssätze du über dein Gewicht und bestimmte Lebensmittel hegst und wie du besser auf dich selbst achten kannst.

die physiologische Komponente des Extremhungers verstehen

Was der Extremhunger eigentlich ist und warum er nach eine Phase der Restriktion auftritt, erläutere ich bereits ausführlicher in diesen Blog Posts:

Um es hier aber hier auch noch einmal kurz aufzugreifen: Studien – unter anderem das Minnesota Starvation Experiment – haben gezeigt, dass der Extremhunger (Hyperphagie) nach einer Phase der Energierestriktion eine Funktion der Autoregulation einnimmt. Es kann angenommen werden, dass wir Menschen ein optimales prädisponiertes Verhältnis von Fettfreier Masse und Fettmasse haben. Dieses Verhältnis ist für jeden Menschen individuell, bleibt im Laufe des Lebens jedoch konstant. Der Extremhunger bleibt in der Regel so lange bestehen, bis dieses Optimale Verhältnis wieder erreicht wurde.

Bedeutet, dass du zwar bereits dein von deinem Arzt gesetztes “Zielgewicht” – über das du nebenbei erwähnt, auch drüber gehen darfst, bzw. vermutlich sogar solltest – erreicht haben kannst, aber der Anteil an Fettfreier Masse noch nicht wiederhergestellt wurde. Damit kann auch der Gewichts-Overshoot erklärt werden. Der Sinn dieses Overshoots ist, dass dein Körper, im Falle einer nächsten Hungerperiode, ausreichend Energiereserven zur Verfügung hat und damit dein Leben sichern kann.

extreme hunger vs binge eating disorder

Woher kommt die Angst ins Binge Eating zu rutschen?

Die Angst davor, ins Binge Eating zu rutschen ist nur die Oberfläche deiner Ängste. Hinter der Angst könnte stecken, dass du Angst hast, zu dick zu werden, von anderen verurteilt zu werden, die Angst davor, die Essstörung loszulassen, mehr Platz einzunehmen, Angst davor, Kontrolle abzugeben, weniger Anerkennung und Aufmerksamkeit zu erhalten, usw. 

Am besten schaust du hier mal auf deine Glaubenssätze: Was assoziierst du mit einer Gewichtszunahme? Was passiert eigentlich, wenn du “mehr” zunimmst? Und bleibe dort nicht stehen – gehe weiter und frage dich, ob diese Ängste rational sind.

Bedingungslose Erlaubnis zu Essen

Du hast bedingungslose Erlaubnis zu essen. Und dieser Erlaubnis kann dir nichts und niemand entziehen. Du hast mit deiner Geburt das Recht erworben, deinen Körper und deine Seele zu nähren. Warum ist das so wichtig zu verstehen?

Umso mehr wir uns etwas verbieten zu haben, desto größer wird das Verlangen danach. Dadurch, dass wir es uns verbieten (dazu zählt auch schon, uns nur 3-4 Stücke Schokolade zu erlauben), wird es zu etwas besonderem und damit VIEL reizvoller. Das gleiche Phänomen tritt auch ein, wenn wir uns sagen: Heute Abend esse ich weniger oder “ich nehme zu, aber nicht zu viel”.

Dein Körper möchte diesem Mangel vorsorgen, weil früher waren solche Lebensmittelknappheiten lebensbedrohlich. “Schnell noch alles aufessen, bevor ich nichts mehr bekomme“.

Meistens, wenn wir uns die Erlaubnis geben 2, ja sogar 3 oder vier Tafeln Schokolade zu essen, und zwar nicht nur heute, sondern immer, wenn wir das wollen, dann wollen wir nicht mal mehr eine Ganze. Der Anreiz ist weg. Dann ist es ja nichts mehr besonders. Zu Beginn wird es eine Weile dauern, bis dein Körper checkt, dass er dir tatsächlich vertrauen kann, dass er so viel haben kann, wie er will, aber mit der Zeit wird sich ein Gefühl von innerer emotionaler Fülle und Zufriedenheit einstellen.

rund um das Thema Genesung von Essstörungen, Intuitives Essen oder "Health at every size"/ eating disorder recovery related, about intuitive eating or health at every size.
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