Verdauungsbeschwerden in der Recovery (Q&A pt. 5)

Heute geht es um Verdauungsbeschwerden in der Recovery. Oftmals erfahren Personen, welche zuvor nur eine sehr eingeschränkte Auswahl an Lebensmitteln konsumiert haben, Verdauungsprobleme sobald sie die verbotenen Lebensmittel wieder in ihre Ernährung aufnehmen möchten. Keine Sorge – in den allermeisten Fällen werden die Symptome mit der Zeit besser, im Zweifelsfall solltest du das aber immer ärztlich abklären lassen, um auf der sicheren Seite zu sein.

Bevor du gleich den Kasten liest, eine kleine Trigger Warnung vorab. Hier berichtet eine Person, von ihrer Diät, die sie in den letzten Monaten durchgezogen hat. Wenn dich das also Triggern könnte, dann überspringe den Teil einfach – was du wissen muss ist, dass die Person sich nun deutlich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt sieht, da sie nicht mehr außer Haus essen kann und immer Magenschmerzen bekommt, wenn sie Dinge isst, die nicht in ihrer Diät erlaubt sind.

Hey, ich habe eine Frage, bzw. brauche deinen Rat. Seit März hatte ich eine strikte Diät gemacht - kein [...], kein [...], kein [...]. Wenn ich doch einmal mit meinen Freunden alle 2-3 Monate einmal ausgehe zum Essen, dann nehme ich eine "gesündere" Option. Die Diät scheint funktioniert zu haben und mein Körper scheint sich daran gewöhnt zu haben - Aber das Problem ist, dass ich im Dezember mit meiner Familie nach New York gehe, es wird das erste Mal sein, dass ich dort bin und ich möchte dort essen und probieren, was auch immer ich möchte. Aber das Ding ist, dass ich, wann auch immer ich die kleinsten Mengen an Dingen konsumiere, die ich aus meiner Diät herausgestrichen habe, dann "hasst" mich mein Körper. Ich fühle mich krank und mein Magen schmerzt. Ich möchte nichteinmal mehr außer Hause essen, weil ich so Angst davor habe. Aber ich möchte in New York essen können, ohne, dass ich mir meinen eigenen Spaß oder der meiner Familie ruiniere.

Darum geht es hier

Symptome von Verdauungsbeschwerden in der Recovery

Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wirst du in der Recovery Bekanntschaft mit extremen Völlegefühl, Blähungen, Krämpfen, Übelkeit oder auch Durchfall und Verstopfung machen. Alles Dinge, über die wir in der Regel ziemlich ungern reden. Aber ganz wichtig: Das ist in deinem Fall jetzt normal und du musst dich nicht dafür schämen. Dein Körper hat so viel durchgemacht, er braucht jetzt einfach wieder eine Weile, sich an ein normales Essverhalten zu gewöhnen. Dein Magen braucht aktuell bis zu fünf Mal länger Zeit, um eine Mahlzeit zu verdauen, als eine vergleichbare „gesunde“ Person, ohne den Hintergrund einer Essstörung.

Dein Körper braucht Zeit, um sich wieder daran zu gewöhnen, dass er wieder regelmäßig, ausreichend, und eine große Vielfalt an Essen bekommt.

So entstehen die Verdauungsbeschwerden in der Recovery

Vielleicht hast du schonmal davon gehört, dass unser Darm mit der sogenannten Darmflora ausgekleidet ist. Die Darmflora ist die Gesamtheit aller Darmbakterien, die Teile des menschlichen Dickdarms besiedeln (in geringer Menge auch den Enddarm). In unserem Darm leben etwa 10 Billionen Darmbakterien – mit einem Gesamtgewicht von etwa einem Kilo! 

Die Darmflora hat verschiedene Aufgaben, die von Nahrungsverdauung, über Vitaminproduktion, der Neutralisierung von Giftstoffen, Aktivierung von Arzneistoffen bis hin zu Immunabwehr reicht. Man kann sogar so weit gehen uns sagen, dass unsere Darmmikroben unsere Psyche beeinflussen, da hier eine wirkungsvolle Menge an Serotonin, Dopamin und Noradrenalin gebildet werden (Glückshormone, die auf deine Stimmung einwirken).

Heute wissen wir, dass unsere Ernährung, unser Stresserleben und unser psychischer Zustand das Mikrobiom beeinflussen. Wenn wir bestimmte Lebensmittel aus unser Ernährung herausstreichen und die Essensvielfalt immer geringer wird, dann sinkt auch die Vielfalt unserer Darmbakterien und das Mikrobiom wird aus der Balance gebracht. Optimal ist nämlich eine bunte Vielfalt an Darmbakterien, welche eben durch eine vielseitige, ballaststoffreiche und bunte Ernährung erreicht wird.

Wenn unser Mikrobiom nun aus der Balance gebracht wurde, dann können Gär- und Fäulnisprozesse entstehen, die nicht nur einen Blähbauch, Bauchkrämpfe und unangenehme Blähungen bescheren, sondern auch dazu führen, dass die Nahrung und die enthaltenen Vitalstoffe den Magen-Darm-Trakt einfach durchlaufen, ohne ausreichend verwertet und aufgenommen zu werden. Das wiederum kann zu einem Vitaminmangel führen, der noch weitere Symptome auslösen kann – bspw.

  • Dein Hautbild verschlechtert sich,
  • Deine Haare werden dünn und fallen aus
  • Nägel werden brüchig
  • man fühlt sich ständig müde und schlapp

Phänomen Laktoseintolleranz in der Recovery

Während meiner eigenen Recovery – irgendetwas, das Laktose enthalten hat, hatte mir für eine Zeit lang einen unangenehmen Tag auf der Toilette beschert. Es hat eine Weile gedauert, bis ich überhaupt erst die Korrelation zwischen meinem Milchproduktekonsum und den Verdauungsbeschwerden in der Recovery entdeckt habe. Und fast noch länger hat es gedauert, bis mein Körper sich wieder an Laktose gewöhnen konnte, sodass ich heute keinerlei Probleme mehr mit Milchprodukten habe.

„Wir müssen unsere Bakterien im Darm füttern, damit sie überleben können. Was auch immer du also isst, bewirkt, dass sich bestimmte Bakterien besser oder schlechter vermehren können. Personen, die also relativ regelmäßig Laktose konsumieren, haben mehr von dem Enzym Laktase, als Personen, die eine Zeit lang auf Laktose verzichtet haben. Das bedeutet: Wenn du vor deiner Essstörung keine Laktoseintoleranz hattest, dann muss sich dein Körper einfach wieder daran gewöhnen, Milchprodukte zu verdauen. Verdauungsbeschwerden in der Recovery sind also ganz normal, und sie sind in der Regel temporär.

Was du nun tun kannst

  • Steigere allmählich die Vielfalt an Lebensmitteln, die du zu dir nimmst
  • wenn du beispielsweise bei der Verdauung von Laktose Beschwerden hast, dann steige die Menge an Milchprodukten allmählich. Viel bringt nicht unbedingt viel, denn dann ist dein Darm einfach nur überlastet. Beispielsweise kannst du 3x am Tag 1/3 cup Milch trinken und das allmählich steigern
  • bei Durchfall, hilft eine erhöhte Menge an Ballaststoffen: bspw. Haferflocken, Reis und Apfelmus
  • reduziere – am besten vermeide – Zuckerersatzstoffe, da diese oftmals zu Blähungen führen. (v.a. zuckerfreie Kaugummis)
  • Wärmflaschen, viel Tee, weite Kleidung, eine Bauch-Massage, leichte Bewegung (Yoga, Spazieren,…)
  • versuche deinen Körper dennoch so zu akzeptieren, wie er jetzt gerade eben ist. Er tut sein Bestes, um dich am Leben zu halten. Er arbeitet nicht gegen dich.

Sitze diese unangenehme Phase der Verdauungsbeschwerden in der Recovery aus. Sie ist temporär. In der Essstörung/dem essgestörten Verhalten zu bleiben würde bedeuten, dass du das Leben dauerhaft nicht in vollen Zügen genießen kannst. Nicht mit deinen FreundInnen ausgehen zu können, nicht in den Urlaub gehen zu können, usw. limitiert dich selbst und die Erfahrungen, die du machen kannst. Das ist ein „schmalerer“ Körper wirklich nicht wert.

Quellenangaben

Hertzler SR, Savaiano DA. Colonic adaptation to daily lactose feeding in lactose maldigesters reduces lactose intolerance. Am J Clin Nutr. 1996 Aug;64(2):232-6. doi: 10.1093/ajcn/64.2.232. PMID: 8694025.

Radka Roubalova, Petra Procházkova, …, Anorexia nervosa: Gut microbiota-immune-brain interactions. https://doi.org/10.1016/j.clnu.2019.03.023 

The Impact of Starvation on the Microbiome and Gut-Brain Interaction in Anorexia Nervosa 

 

Verdauungsbeschwerden in der Recovery | digestive issues in ed recovery
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