
food for thought, brain food and nourishing food
Studien zeigen auf, dass etwa 85% von essgestörten Patienten zwanghaft Sport treiben. Selbst Sir William Gull berichtete schon im neunzehnten Jahrhundert bei den von ihm dargestellten Fallbeispielen der AN über ein gesteigertes Bewegungsverhalten, das er als „Rastlosigkeit“ beschrieb. Oftmals wird auch von der Menge und Qualität der Aktivität abhängig gemacht, wie viel gegessen werden darf. In der Recovery geht es zum einen darum, dass genau diese Assoziation aufgelöst wird und wieder nach Hunger und Sättigung gegessen werden kann. Woher kommt eigentlich der Gedanke, dass du dir dein Essen verdienen musst? Was steckt hinter dem Bewegungsdrang? Und welche Schritte kannst du jetzt gehen, damit du akzeptieren kannst, dass du dein Essen nicht verdienen musst?
Wie schafft man es, nicht mehr das Gefühl zu haben, dass man sich sein Essen mit Sport verdienen muss?
In der Wissenschaft besteht hierüber bislang kein Konsens (keine Übereinstimmung). Jedoch ist man sich darüber einig, dass nicht nur die Dauer und Intensität für die Diagnostik von einem problematischen Sportverhalten ausschlaggebend sind, sondern auch deren Bewertung und Motivation. Daher kann ein problematisches Bewegungsverhalten/Sportverhalten in die Unterkategorien: Dauer, Intensität und Zwanghaftigkeit unterteilt werden. Zu dem Punkt Zwanghaftigkeit zählt beispielsweise auch, dass Sport getrieben wird mit der Motivation der Gewichtskontrolle, aber auch, dass es zu negativen Auswirkungen auf die mentale und physische Gesundheit führt.
“Runners high”, “the gym is my chosen drug of choice”, “happiness is the sweat pain after a hard workout”, “going to the gym is my kind of therapy”, … All diese Zitate, welche aktuell auf den Social Media Plattformen kursieren, haben eine Sache gemeinsam: Sie sind darauf zurückzuführen, dass körperliche Aktivität suchtähnliche Züge annehmen kann. Nicht nur bei essgestörten Patienten. Durch Sport werden endogene Opioide und Endorphine ausgesetzt. Anfangs sind diese Effekte stark, lassen dann mit der Zeit nach, woraufhin – vor allem, wenn Glücksgefühle nicht auch auf andere Wege ausgelöst werden können – die Aktivität erhöht wird.
Das alleine, wäre jetzt noch kein schwerwiegendes Problem, denn es ist an sich gut, wenn wir Sport machen, um uns gut zu fühlen. Allerdings konnten Studien an Mäusen erste Hinweise dafür liefern, dass sich eine Mangelernährung, Ängstlichkeit, zwanghafte Persönlichkeitsmerkmale und Bewegungszwang gegenseitig verstärken. Genau konnte der Wirkungsmechanismus noch nicht erklärt werden, wenn du aber mehr wissen willst, dann kannst du hier weiterlesen.
Das wichtigste, was du aus diesem Abschnitt mitnehmen solltest ist, dass der Bewegungsdrang bei essgestörten Patienten nicht nur ausschließlich mit dem bewussten Zweck der Gewichtskontrolle zusammenhängt. Auch neurochemische und evolutionäre Prozesse spielen eine besondere Rolle und führen zu einem “Suchcharakter” und dazu, dass die PatientInnen sich fühlen, als hätten sie keine Kontrolle darüber.
Du hast bedingungslose Erlaubnis zu essen. Das bedeutet auch, dass du dir dein Essen nicht verdienen musst, denn sonst wäre es ja wieder an eine Bedingung geknüpft – macht Sinn oder? Diese bedingungslose Erlaubnis hast du dir mit deiner Geburt erworben. Weil du auf dieser Welt geboren wurdest, hast du das Recht, deinen Körper zu nähren, sodass es dir physisch und psychisch gut geht. Essen ist eines unserer Grundbedürfnisse (neben Schlaf, Trinken, Luft, Wärme, …) – bedeutet, wir brauchen all diese Dinge, um überhaupt überlebensfähig zu sein.
Du darfst auf dich selbst aufpassen, deinen Bedürfnissen nachgehen und dir selbst mit Akzeptanz und Liebe begegnen. Du – ja du! – verdienst es, dich gut zu fühlen.
Hast du dir schonmal überlegt, was eigentlich passiert, wenn du dem Drang nicht nachgibst? Wenn du dich hinsetzt und einmal ganz genau reinfühlst, was der Bewegungsdrang in dir für physiologische und emotionale Prozesse auslöst? Und was passiert eigentlich mit dem Druck, wenn du ihn nicht über Sport ablässt?
Zugegebener Maßen könnte es die ersten paar Mal ziemlich ungemütlich sein, weil dein Gehirn ja nach der Dopaminausschüttung schreit und da auch noch die Assoziation zwischen Essen und Sport besteht. Aber die gute Nachricht ist: Was einmal gelernt wurde, kann auch wieder verlernt werden. Hier sind also ein paar Schritte, die du gehen kannst, um die Assoziation zwischen Essen und Sport allmählich aufzulösen, sodass du irgendwann einmal wieder Sport machen kannst, ohne dir damit dein Essen verdienen zu wollen:
Pass auf dich auf